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Der unerschütterliche Boss der Hafenarbeiter

2024-10-05

Harold J. Daggett hat erneut triumphiert. Am Donnerstagabend gab der Präsident der International Longshoremen’s Association (ILA) bekannt, dass der großangelegte Streik, den seine 47.000 Hafenarbeiter an der Ost- und Golfküste der USA vor drei Tagen ins Leben gerufen hatten, beendet ist.

Die ILA einigte sich mit den Hafenbetreibern auf eine vorläufige Vereinbarung: Der Lohn der Hafenarbeiter wird in den nächsten sechs Jahren schrittweise um 62 Prozent steigen. Obwohl dies unter den 77 Prozent liegt, die die ILA ursprünglich gefordert hatte, stellt es dennoch einen der besten Lohnabschlüsse in der Geschichte gewerkschaftlicher Organisationen dar. Viele Hafenarbeiter verdienen bereits jetzt über 150.000 bis 200.000 Dollar pro Jahr, und ihre Gehälter werden in Zukunft weiter steigen.

Daggett und seine Arbeiterschaft

Die Gewerkschaft schickt ihre Mitglieder zurück an die Docks, hält jedoch den Druck auf die Hafenbetreiber aufrecht und kämpft für ein Verbot jeglicher Automatisierung in den betreffenden Häfen. Daggett, der den Kampf gegen die Automatisierung als seinen Lebensauftrag sieht, gibt nicht auf. Trotz seines Alters von 78 Jahren führt er die ILA weiterhin mit straffer Hand und zielgerichtet.

Seine Dominanz ist unbestreitbar: Daggett entschieden, wann „seine Männer“ streiken und wann sie zur Arbeit zurückkehren. Ein eindringliches Video von ihm, in dem er den Arbeitgebern Anfang September drohte, lässt keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit: „Ich werde euch lahmlegen.“

Die persönliche Verbindung zur Gewerkschaft ist stark, denn Daggetts Sohn Dennis ist Vizepräsident der ILA und führt viele der Verhandlungen mit den Hafenbetreibern. Daggett hat sich für „seine Männer“ immer wieder eingesetzt. Berichten zufolge soll er jährlich 900.000 Dollar verdienen, während sein Sohn mit 700.000 Dollar ebenfalls gut dasteht – ein beeindruckender Vergleich zu Shawn Fain, dem Chef der United Auto Workers, der im letzten Jahr „nur“ 230.000 Dollar verdiente.

Die Luxustürme der Macht

Bereits 2017 berichtete die New York Times, dass Daggett regelmäßig in einem teuren Bentley gesehen wurde und eine 23 Meter lange Yacht namens „Obsession“ besitzt. Fotos, die nach dem Streikbeginn veröffentlicht wurden, zeigen ihn auch in einem luxuriösen Fahrzeug aus britischer Produktion. Daggett selbst trägt häufig einen ILA-Hoodie und glänzende Goldketten, was zu seinem kultähnlichen Status unter vielen Gewerkschaftsfunktionären beiträgt. Im vergangenen Jahr wurde in North Bergen, einem Vorort von New York, zu seinen Ehren eine Statue errichtet.

Geboren 1946 in Greenwich Village, Manhattan, hat Harold Daggett eine Familiengeschichte im Hafenwesen. Nach seiner Dienstzeit bei der Navy begann er 1967 als Mechaniker im Hafen von New Jersey, genau zu der Zeit, als die Einführung des Standardcontainers die Branche revolutionierte. Diese Veränderung führte zu einem enormen Effizienzgewinn, hatte aber auch negative Auswirkungen, da viele Arbeiter ihre Jobs verloren.

Die Unterwelt und die Gewerkschaft

Trotz der Herausforderungen, denen die Hafenarbeiter gegenüberstanden, bewahrten sie ihren Einfluss, da sie nach wie vor den Zugang zu einem wichtigen Knotenpunkt im globalen Handel kontrollierten. Daggett's Erinnerungen an den zweimonatigen Streik von 1977 zeigen, wie die ILA damals den Hafenverkehr in Los Angeles lähmte, um ihre Forderungen durchzusetzen. Und während dieser Zeit hat Daggett nachweislich vorteilhafte Lohnvereinbarungen erzielt.

Jedoch blieb die ILA nicht von den Schatten der organisierten Kriminalität unberührt. Daggett wurde zwar zwei Mal von Bundesbehörden beschuldigt, an kriminellen Machenschaften der Mafia beteiligt zu sein, doch beide Anklagen führten nicht zu einer Verurteilung.

Ein Ziel im Kampf gegen die Automatisierung

Daggett bleibt entschlossen in seinem Ansatz, die weitere Automatisierung der Häfen weltweit zu stoppen. Er ist der Überzeugung, dass diese Entwicklung nicht nur die Verhandlungsmacht der Hafenarbeiter gefährdet, sondern auch den weltweiten Handel ineffizienter macht und zahlreiche Arbeiter in anderen Sektoren in Armut treiben könnte. Daggett plant, eine internationale Dachgewerkschaft für Hafenarbeiter und Seeleute zu gründen, um gemeinsam gegen große Logistikunternehmen wie Maersk, MSC und CMA CGM zu kämpfen. Seine Strategie sieht vor, globale Streiks zu organisieren, um deren Automatisierungsprojekte zu verhindern. Doch ob Gewerkschafter weltweit auf die Vision eines Mannes aus New Jersey hören, bleibt abzuwarten. Daggett ist motiviert und entschlossen: „Ich weiß, was ich tue. Ich werde die Jobs von allen retten.”