Die Gewalt unter Jugendlichen in Neapel eskaliert zunehmend, und die Stadt steht vor einer dringenden Krise. Jüngste Vorfälle haben die Zivilgesellschaft in Alarmbereitschaft versetzt und die Rufe nach staatlichen Maßnahmen lauter werden lassen.

Ein tragisches Ereignis begann in einem Vorort von Neapel, als ein Streit über einen teuren Schuh im Drama endete. Ein Jugendlicher trat einem anderen auf dessen 500-Euro-Schuh, was in einem gewaltsamen Handgemenge gipfelte. Der 19-jährige Santo R., der versuchte zu schlichten, wurde dabei tödlich verletzt. Der mutmaßliche Täters, ein 17-Jähriger, der erst vor Kurzem aus dem Jugendgefängnis entlassen wurde, floh und traf sich später mit Freunden, als wäre nichts geschehen.

Die Welle der Gewalt reißt nicht ab

Innerhalb nur von 17 Tagen wurden in Neapel und Umgebung drei Teenager erschossen. Neben Santo R. verloren auch der 15-jährige Emanuele T. und der 18-jährige Arcangelo C. ihr Leben durch ähnliche Gewalttaten. Schockierend ist, dass die Täter ebenfalls Jugendliche sind, was die Gesellschaft in eine tiefe Hilflosigkeit stürzt. Die Brutalität der Vorfälle, bei denen immer häufiger Schusswaffen verwendet werden, ist alarmierend. Experten betonen, dass der Einfluss sozialer Medien und glamourisierter Gewalt in Filmen und Spielen bei der Eskalation eine Rolle spielen könnte.

Neapels gefährliche Randbezirke

Neapel hat seit langem mit einem schlechten Ruf in Bezug auf Gewalt und Kriminalität zu kämpfen. Besonders die Randbezirke wie Scampia und Secondigliano sind bekannt für mafiöse Aktivitäten und der Einfluss der Camorra, der neapolitanischen Mafia. In diesen Vierteln ist die Gefahr durch die Verfügbarkeit von Waffen, die sowohl vor Ort als auch online leicht zu erwerben sind, besonders groß. Diese Situation geraten zu lassen, ist eine tickende Zeitbombe.

Die Rolle der Camorra und ihre rekrutierten Jugendlichen

Oft werden die Morde mit der Camorra in Verbindung gebracht, die verstärkt junge Männer für ihre kriminellen Machenschaften rekrutiert. Der bekannte Autor Roberto Saviano hebt hervor, dass diese Jugendlichen oft gewaltbereiter und skrupelloser sind als ältere Mitglieder. Bei den jüngsten Vorfällen gibt es jedoch keine erkennbaren mafiösen Verbindungen; vielmehr handelt es sich um persönliche Konflikte, die oft in einer eskalierenden Gewalt enden.

Perspektivlosigkeit als Treiber der Gewalt

Die hohe Arbeitslosigkeit und die Verbreitung von Schwarzarbeit in Neapel verschärfen die Perspektivlosigkeit unter Jugendlichen. Viele Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss, was ihre Chancen auf ein besseres Leben stark einschränkt. Die Tante von Santo R. kritisiert die fehlende staatliche Unterstützung und fordert dringend mehr Hoffnung und Perspektiven für die Jugend. Psychologen warnen davor, dass die Wurzeln der Gewalt tief in den sozialen Problemen und der desolaten Bildungslandschaft der Region verwurzelt sind.

Forderungen nach staatlichen Maßnahmen

Nach den tödlichen Vorfällen kündigte Italiens Innenminister Matteo Piantedosi einen Besuch in Neapel an und versprach Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendgewalt, darunter eine höhere Polizeipräsenz und verstärkte Überwachung. Doch viele Bürger haben Zweifel an der Effektivität dieser Maßnahmen. Die Tante von Santo R. fordert ein Umdenken in der Gesellschaft und betont die Notwendigkeit, den Jugendlichen Werte wie harte Arbeit und Anstrengung zu vermitteln, um sie von der Kriminalität abzuhalten. Der öffentliche Diskurs über die Ursachen und Lösungen zur Bekämpfung der Jugendgewalt in Neapel ist damit in vollem Gange.