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Megatsunami: Forscher in Grönland rekonstruieren Felssturz

2024-09-23

In der vergangenen Septemberwoche ereignete sich ein spektakuläres geologisches Ereignis vor der Küste Grönlands, das die Wissenschaftsgemeinde in Aufruhr versetzte. Am 16. September 2023 registrierten hochsensible Seismografen im Black Forest Observatory (BFO) in Deutschland ein ungewohntes Signal, das sich von typischen Erdbeben stark unterschied. Thomas Forbriger, Wissenschaftler am Geophysikalischen Institut des Karlsruher Instituts für Technologie, erklärte, dass es sich um ein monotones Brummen handelte, das auf einen massiven Felssturz hindeutete.

Die ersten Ermittlungen führten die Forscher auf die Spur eines Megatsunamis, der durch einen massiven Felssturz im Dickson-Fjord, an der menschenleeren Ostküste Grönlands, ausgelöst wurde. Dieses geologische Ereignis wurde von einem Team aus 68 Wissenschaftlern aus 15 Ländern detailliert in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht. Bereits im August 2023 hatten Forscher des GFZ Potsdam in einem anderen Journal erste Hinweise auf das Großereignis gegeben.

Die Bilder des Fjords vor und nach dem Felssturz sind beeindruckend: Zunächst vor einem Jahr dominierte ein majestätischer Gletscher, nur um dann vollständig einzustürzen und eine gewaltige Wasserwand zu erzeugen, die bis zu 200 Meter hoch schoss. Glücklicherweise war zu diesem Zeitpunkt niemand in der Nähe, doch die Zerstörung kultureller und archäologischer Stätten in der Umgebung war gravierend.

Die seismischen Messungen zeigen, dass die Schwingungen des Wassers im Fjord außergewöhnlich lange anhielten. Diese sogenannten Seichen, eine Art von Wasserschwingung, dauerten neun Tage an und wurden weltweit von Erdbebenmessstationen registriert. Forbriger betonte, dass solche dauerhaften Seichen bislang noch nie zuvor dokumentiert wurden.

Die Ursache dieses massiven Felssturzes lag wahrscheinlich in der Stabilitätsverluste, die durch den Klimawandel bedingt sind. Steigende Temperaturen destabilisieren den Permafrost und die Gletscher in der Region, was zu solchen dramatischen Einstürzen führt. Satellitenbilder zeigen eindrucksvoll, dass sich die Gletscher am Fuß des betroffenen Berges über die letzten Jahrzehnte erheblich zurückgezogen haben.

Um die geologischen Vorgänge besser zu verstehen, plant das Forscherteam, weitere seismische Instrumente im Fjord zu installieren. Kristian Svennevig vom Geologischen Dienst von Dänemark und Grönland betonte die Bedeutung dieser Forschung: „In Anbetracht des beschleunigten Klimawandels wird es wichtiger denn je, stabil erscheinende Regionen genauer zu beobachten.“

Erst zwei Monate nach dem Megatsunami kam es erneut zu einem dramatischen Felssturz im Dickson-Fjord. Forbriger äußerte Bedenken, was passiert wäre, wenn Wissenschaftler während der Erkundung des ersten Felssturzes im Fjord gewesen wären. Das Risiko für Forscher in dieser Region wird zunehmend besorgniserregender. Aktuell zeigt sich, dass die Kombination aus Klimawandel und geologischen Instabilitäten in Grönland zu einem immer größer werdenden Risiko führt - ein Thema, das gewiss auch künftig für Schlagzeilen sorgen wird.