
Schweizer Militär: «Im Kriegsfall wäre die Schweiz nahezu wehrlos»
2025-04-06
Autor: Sofia
Acht Jahre lang arbeitete Stig Förster an seinem Opus magnum, dem umfassenden Werk «Deutsche Militärgeschichte», das kürzlich veröffentlicht wurde. Förster, eine herausragende Figur in der deutschsprachigen Militärgeschichte, lehrte bis zu seiner Emeritierung an der Universität Bern.
Im Interview äußert der 73-Jährige eindrücklich seine Ansichten zu Militärgeschichte, Krieg und der aktuellen Situation der Schweiz in einer zunehmend unsicheren Welt.
Förster betont, dass das Studium der Militärgeschichte uns zeigt, wie Krieg in der Geschichte der Menschheit immer wieder eine zentrale Rolle spielt. Er warnt, dass die moderne Schweiz, die auf bewaffnete Neutralität setzt, in einem Kriegsfall fast schutzlos wäre.
In der Vergangenheit haben Länder wie Belgien und die Niederlande, die ebenfalls auf Neutralität setzten, schreckliche Lektionen lernen müssen, als sie von anderen Mächten überrannt wurden. Die geographische Lage und die gebirgige Topografie schützten die Schweiz über lange Zeit; jedoch haben sich die Bedingungen mit der Entwicklung moderner Kriegsführung grundlegend verändert. Bei einem möglichen Angriff könnte die Schweiz aufgrund moderner Langstreckenwaffen und Drohnen nahezu wehrlos dastehen.
Im Kontext globaler geopolitischer Veränderungen, wie dem potenziellen Rückzug der USA aus Europa und der Fragilität der NATO, wird die militärische Strategie der Schweiz zunehmend hinterfragt. Förster hebt hervor, dass eine von Neutralität geprägte Militärpolitik nur dann erfolgreich sein kann, wenn die Nachbarländer dies respektieren. Sollte eine neue militärische Allianz in Europa entstehen, wäre es unerlässlich, dass die Schweiz sich eng an diese bindet.
Eine andere Möglichkeit könnte die Betrachtung einer Neutralität ohne Waffen sein. Statt in veraltete Waffentechnologien zu investieren, schlägt Förster vor, dass die Schweiz sich als Zentrum für internationale Organisationen positioniert und Konflikten auf diplomatische Weise fernbleibt.
Historisch betrachtet, war die Schweiz im 15. und 16. Jahrhundert für ihre militärischen Erfolge bekannt. Die Eidgenossen setzten damals auf innovative Taktiken, die sie zur gefürchtetsten Infanteriemacht in Europa machten. Der Einsatz der sogenannten Gewalthaufen, eine spezielle Infanterieformation, revolutionierte die Kriegführung und machte die Schweizer Söldner zu gefragten Kämpfern in Europa.
Doch Fösters Warnungen sind deutlich: Der Krieg der Zukunft wird von Hightech-Waffen, insbesondere Drohnen, geprägt sein. Die Schweiz muss jetzt investieren und modernisieren, um im Ernstfall nicht ins Hintertreffen zu geraten. Experten prognostizieren, dass zukünftige Konflikte zunehmend auf der Nutzung von Cyberwaffen und anderen Technologien basieren werden.
Wie die Geschichte zeigt, bringt jede Kriegsführung enorme Kosten und Opfer mit sich. Förster mahnt, dass die brutalen Realitäten des Krieges nicht beschönigt werden dürfen. „Das Thema ist zu wichtig, um es den Schreibtischstrategen oder den Waffenliebhabern zu überlassen“, sagt Förster und ruft dazu auf, die Menschheit an die schrecklichen Lektionen der Vergangenheit zu erinnern. Die Ereignisse in der Ukraine sollten uns alle betreffen und als Weckruf dienen, die eigene Sicherheit ernsthaft in Betracht zu ziehen.