Technologie

Tennet-Deutschland-Chef: „Der Solarstromausbau ist völlig ungesteuert“

2025-01-10

Autor: Leonardo

Die Strompreise in Deutschland gehören zu den höchsten in Europa, jedoch nicht in einem extremen Ausmaß. Im Jahresdurchschnitt lassen sich keine gravierenden Unterschiede zu den Preisen in Nordwesteuropa feststellen. Hingegen zeigen Spitzenpreise zu bestimmten Zeitpunkten sehr deutlich, wie dringend Investitionen in regulierbare Leistungen und die Netzinfrastruktur erforderlich sind – und zwar ohne den Luxus, der früher bestand.

Besonders im Hinblick auf den gesetzlichen Erdkabelvorrang, der 2015 eingeführt wurde, um die Akzeptanz des Netzausbaus zu erhöhen. Leider führte dies nicht zu schnelleren Fortschritten, sondern die Kosten stiegen erheblich an. Aktuelle Projekte wie der Nord-West-, Süd-West- und Ost-West-Link verursachen Schätzungen zufolge Kosten von bis zu 50 Milliarden Euro. Wenn stattdessen Freileitungen verwendet werden dürften, wären Einsparungen von rund 20 Milliarden Euro möglich, was erhebliche finanzielle Entlastungen für die Verbraucher zur Folge hätte.

Zudem hat sich der Konflikt um den Netzausbau lediglich verschoben. Anwohner kämpfen heute gegen die Erdkabel, anstatt gegen die Sichtbeeinträchtigungen durch Freileitungen. Die hohen Kosten werden letztlich von den Stromverbrauchern über die Netzentgelte getragen, was nicht nur die Strompreise in die Höhe treibt, sondern auch das Vertrauen in die Energiewende schwächt.

Die nächste Bundesregierung wird dringend dazu angehalten, wo Einsparungen sinnvoll und ohne Beeinträchtigung der Klimaziele realisiert werden können. Ein wichtiger Punkt ist die Offshore-Stromerzeugung. Um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, benötigt Deutschland bis zu 70 Gigawatt Kapazität durch Windkraftanlagen in der Nord- und Ostsee. Ein Problem dabei ist der begrenzte Platz, denn die Rotoren behindern sich gegenseitig, wodurch viel Potenzial verloren geht.

Es gibt auch Überlegungen, keine Kapazitätsziele, sondern klare Energieziele vorzugeben. Aktuell wird prognostiziert, dass die 70 Gigawatt unter ungünstigen Bedingungen nur 215 Terawattstunden im Jahr liefern können. Eine geringere Leistung und größere Abstände zwischen den Windrädern könnten effizientere Anlagen schaffen, die pro Jahr 4000 bis 5000 Volllaststunden erreichen – und das zu einem deutlich günstigeren Preis.

Der Kapitalbedarf für den Netzausbau ist enorm. Tennet allein wird in den nächsten zehn Jahren 160 Milliarden Euro in die Infrastruktur investieren, wobei zwei Drittel dieser Summe in Deutschland verwendet werden. Die gestiegenen Kosten in der Vergangenheit basieren auf einer unsicheren regulatorischen Umgebung und gescheiterten Gesetzgebungsprozessen. Dies hat zur Folge, dass Genehmigungsprozesse für neu geplante Gleichstromprojekte erheblich verlängert werden, was nicht nur Tennet, sondern auch die Industrie belastet.

Ohne neue regelbare Gaskraftwerke, welche vorübergehend bei mangelnder Erzeugung durch erneuerbare Energien einspringen können, wird der beabsichtigte Kohleausstieg bis 2030 kaum machbar sein. Daher sind neue Kraftwerke unverzichtbar, und die Politik muss hier deutliche Anreize schaffen. Die Herausforderungen sind nicht nur technischer, sondern auch politischer Natur und erfordern rasches Handeln.

Darüber hinaus steht Tennet vor der Herausforderung, einen Investor für die deutschen Aktivitäten zu finden. Gespräche mit der Regierung sind bereits gescheitert, jedoch bleibt das Unternehmen auf der Suche nach Lösungen, um langfristig eine solide betriebliche Basis zu schaffen. Die Akquise eines Käufers wird angestrebt, um den Investitionsbedarf zu decken und die notwendige Infrastruktur bietend weiterzuentwickeln.