Wahrnehmung: Warum die Zeit gefühlt rast – und wie man sie etwas aufhält
2024-12-31
Autor: Noah
Warum die Zeit gefühlt immer schneller vergeht?
Eine Frage, die viele Menschen bewegt, ist: Warum vergeht die Zeit gefühlt immer schneller? Diese universelle Erfahrung wird eingehend von Marc Wittmann, einem Medizinpsychologen und kognitiven Neurowissenschaftler, untersucht, der seit mehr als 30 Jahren die menschliche Wahrnehmung der Zeit erforscht.
Bereits vor einem Jahrhundert thematisierte Thomas Mann dieses Phänomen in seinem Werk „Der Zauberberg". Besonders deutlich wird diese Wahrnehmung zur Weihnachtszeit und um den Jahreswechsel: „Kann es wirklich schon wieder ein Jahr vorbei sein?“
Studie zur Zeitwahrnehmung
Wittmann führte 2005 eine Studie am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg durch, die zeigte, dass die letzten zehn Jahre unsere Zeitwahrnehmung stark beeinflussen. Je älter wir werden, desto schneller scheinen diese Jahre zu vergehen.
Diese Wahrnehmung beginnt in der Jugend und erreicht mit etwa 60 bis 70 Jahren eine Art Plateau. „In den 20ern, 30ern und 40ern fühlt es sich zunehmend an, als würde die Zeit schneller vergehen“, berichtet der Wissenschaftler.
Routine als „Zeitkiller“
Ein zentraler Grund für dieses Phänomen liegt in der Routine. Wittmann erklärt: „Routine ist ein Zeitkiller.“ Unsere Erinnerungen beeinflussen unsere Zeitwahrnehmung erheblich.
Wenn wir in einem bestimmten Zeitraum viele neue Erfahrungen machen, erscheinen uns diese Zeiten deutlich länger. Dies gilt auch für Urlaube: Zu Beginn eines Aufenthalts am Strand sind die Tage mit neuen Erlebnissen gefüllt und scheinen lange zu dauern, während die Zeit mit Fortschreiten des Urlaubs aufgrund von Routine subjektiv verkürzt wird.
Wittmann beobachtete, dass im Laufe des Lebens das Fehlen neuer Erfahrungen dazu führt, dass die Zeit schneller vergeht.
Viele Erwachsene stellen fest: „Ich wohne seit Jahren am gleichen Ort, habe denselben Job und die gleichen Freunde“, was das Gefühl hervorruft, die Zeit raste nur so vorbei.
Die Rolle der Emotionen
Auch Emotionen spielen eine entscheidende Rolle in unserer Zeitwahrnehmung. Studien zur COVID-19-Pandemie zeigen, dass Menschen in schwierigen Zeiten die Zeit langsamer empfinden.
Ein Beispiel aus Wittmanns Leben verdeutlicht dies: „Als ich nach San Diego zog, schien das erste Jahr unglaublich langsam zu vergehen, weil alles neu und aufregend war.“
Die Zeit aufhalten – oder besser nutzen
Wer das Gefühl der Zeit verlangsamen möchte, sollte versuchen, sein Leben ab und zu zu ändern. „Rituale geben Sicherheit, doch es ist wichtig, auch neue Erfahrungen zu suchen“, rät Wittmann.
Sei es das Gespräch mit einem Nachbarn, den man nicht oft sieht, oder die Entscheidung, einen neuen Weg zur Arbeit zu nehmen: Diese kleinen Änderungen können helfen, die Zeit bewusster zu erleben.
Für vermeintlich langweilige Momente – beispielsweise beim Warten in einer Schlange – empfiehlt Wittmann, sich diese Zeit bewusst zu nehmen. „Denken Sie nach, was Sie heute erlebt haben oder was Sie noch tun möchten. Man kann fast meditativ zu sich selbst finden und so auch in einfachsten Situationen Entspannung erfahren.“
Legt man diese Ratschläge um, hat man nicht nur das Gefühl, die Zeit besser nutzen zu können, sondern kann auch ein erfüllteres Leben führen – und die Zeit scheint nicht mehr so schnell zu vergehen!