
Zunehmende Übergriffe: So verändert sich der Alltag der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz
2025-03-18
Autor: Lara
Seit Oktober 2023 erlebt die Schweiz einen dramatischen Anstieg antisemitischer Vorfälle, und die jüdische Gemeinschaft sieht sich mit einem alarmierenden Gefühl der Unsicherheit konfrontiert.
Jonathan Kreutner, der Generalsekretär der Schweizerischen Israelitischen Gemeinschaft (SIG), spricht über die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit muslimischen Organisationen. Diese Partnerschaften könnten entscheidend sein, um den antijüdischen Vorurteilen und dem Hass entgegenzuwirken.
Die SIG fordert von den Behörden eine drastische Erhöhung der Maßnahmen gegen Antisemitismus. Vor dem Hintergrund der massiven Zunahme an Vorfällen stellt sich das Leben der jüdischen Bevölkerung in der Schweiz zunehmend als gefährdet dar.
Kreutner berichtet, dass die Situation nach den Ereignissen vom 7. Oktober 2023 äußerst angespannt ist. „Unmittelbar nach diesen Vorfällen gab es sofort zehn tätliche Angriffe, was für uns ein Schock war. Im Jahr 2024 hat sich dies noch weiter verschärft“, erklärt er. In den vergangenen Jahren gab es in der Schweiz im Durchschnitt nur einen tätlichen Vorfall pro Jahr.
Wie verändert sich der Alltag jüdischer Menschen in der Schweiz? „Wir beobachten, dass viele Juden aus Sicherheitsgründen ihr Verhalten ändern. Einige vermeiden es, Kippa oder Davidsterne zu tragen, während andere gefährliche Gegenden meiden oder vorsichtiger werden“, sagt Kreutner. Laut einer neuen Studie geben fast ein Drittel der befragten jüdischen Personen an, dass sie in ihrem Alltag bestimmte Dinge meiden.
Kreutner beschreibt auch seine persönlichen Erfahrungen mit diesen Veränderungen: „Ich erlebe diese Vorfälle direkt. Ich sehe die erschreckenden Nachrichten, die bei uns im SIG eingehen, und spüre die allgemeine Besorgnis innerhalb unserer Gemeinschaft. Der Vorfall vom 2. März, bei dem ein orthodoxer Jude in Zürich angegriffen wurde, hat uns alle sehr berührt.“
Er betont, dass es wichtig ist, die Emotionslage nicht nur bei den Juden, sondern auch bei den Muslimen zu verstehen. „Wir haben gute Beziehungen zu muslimischen Organisationen. Nach dem 7. Oktober haben wir viel Solidarität erfahren. Es ist entscheidend, eine klare Trennung zwischen islamistisch motivierten Tätern und der überwiegenden Mehrheit der Muslime zu ziehen, die sich nicht mit solchen Ideologien identifizieren“, erklärt Kreutner.
Darüber hinaus erörterte Kreutner die Diskriminierung, die auch Muslime in der Schweiz erfahren. „Unsere Organisation arbeitet daran, unsere Erfahrungen mit anderen Minderheiten, einschließlich der Muslime, zu teilen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln“, sagt er. Das erfolgreiche Präventionsprojekt Likrat an Schulen wird als ein Beispiel angeführt.
Die Unterstützung der Regierung in Bezug auf Sicherheitsmaßnahmen wird als äußerst positiv hervorgehoben. „Wir sind dankbar für die Fortschritte, wie das Verbot von Nazi-Symbolen und das Verbot von Hamas. Dennoch gibt es noch erheblichen Bedarf an Verbesserungen“, fordert Kreutner. Er betont die Notwendigkeit eines umfassenden Plans gegen Rassismus und Antisemitismus, insbesondere im Internet und in Schulen.
„Die Zukunft sehe ich mit Sorge. Antisemitische Vorfälle scheinen gesellschaftlich akzeptabler zu werden, und wir müssen uns auf diese neue Realität einstellen“, so Kreutner. Dennoch bleibt er optimistisch: „Die jüdische Gemeinschaft ist ein wesentlicher Bestandteil der Schweiz und wird weiterhin hier leben. Die Schweiz ist unser Zuhause und wir werden uns nicht von unserem Platz vertreiben lassen.“
Kreutner unterstreicht die Bedeutung des interreligiösen Dialogs und ermutigt alle, die Unterschiede zu überwinden: „Ein erfolgreicher interreligiöser Dialog fördert das Verständnis und den Frieden zwischen den Gemeinschaften. Es gibt noch viel zu tun, aber gemeinsam können wir einen positiven Unterschied machen.