Magersucht bei Männern: Ein Blick hinter die Kulissen der Behandlung
2024-12-08
Autor: Louis
An einem strahlenden Mittwochmorgen betreten wir die Schön Klinik Roseneck in Rosenheim, eine der führenden Einrichtungen für die Behandlung von Essstörungen in Deutschland. Begrüßt werden wir von Tom, einem 23-jährigen Patienten, und seinem Therapeuten Max Penzkofer. Tom, über 1,80 Meter groß und lässig gekleidet, erzählt uns von seinem Kampf gegen Anorexia nervosa, die auch als Magersucht bekannt ist. Hier in der Klinik ist er seit zweieinhalb Monaten in Behandlung, um die Schatten dieser schweren Erkrankung zu überwinden.
Die Suche nach einem Platz in dieser Klinik ist äußerst herausfordernd. Tom berichtet von langen Wartezeiten und seiner Entscheidung, nach einer spontanen Aufnahme zu fragen. "Es war ein Montagabend, als ich den Anruf erhielt, ob ich am nächsten Morgen um neun Uhr kommen könnte. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass dies meine letzte Chance war", erzählt er.
Laut Prof. Dr. Hans Voderholzer, dem medizinischen Direktor der Klinik, ist es besonders schwierig, stationäre Therapieplätze für Essstörungen zu finden. „Männer haben seltener Zugang zu diesen Behandlungsmöglichkeiten, da die Anorexia nervosa gesellschaftlich oft als Frauenproblem wahrgenommen wird“, erklärt er. Interessanterweise liegt das Verhältnis von erkrankten Männern zu Frauen bei Anorexia nervosa bei 1 zu 8.
Tom behandelt seine Essstörung mit großer Entschlossenheit, berichtet aber auch von den Anfängen seiner Krankheit, die im Alter von 15 Jahren begann. "Zunächst hatte ich keinen Zugang zur Realität meiner Erkrankung. Ich war einfach nicht bereit, die ernsthaften gesundheitlichen Folgen zu erkennen", beschreibt er. Unterstützung erhielt er von seiner Mutter, die frühzeitig einen Arzt aufsuchte, da sie besorgt war.
Die Symptome sind verheerend: Körperliche Gesundheit und psychisches Wohlbefinden werden stark beeinträchtigt. Prof. Dr. Voderholzer erklärt, dass viele Betroffene an einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers leiden. Sie sehen sich selbst nicht realistisch, was die Behandlung extrem kompliziert macht.
Die Therapie in der Schön Klinik ist ganzheitlich: Neben der Normalisierung des Essverhaltens stehen emotionalen Themen und der Umgang mit persönlichen Konflikten im Fokus. Tom und seine Mitpatienten lernen, wie sie wieder hierzu zurückfinden. Ein Beispiel dafür ist die „Therapieküche“, in der Tom heute ein Gemüseomelett zubereitet, was für ihn ein kleiner Erfolg darstellt: „Früher hätte ich mich niemals getraut, so etwas zu essen“, sagt er stolz.
Der Einfluss von sozialen Medien auf Essstörungen ist ein weiteres kritisches Thema. Prof. Dr. Voderholzer weist darauf hin, dass ständige Vergleiche mit unerreichbaren Körperidealen zu einem stärkeren Druck führen können. „Es ist wichtig, dass junge Menschen lernen, sich selbst zu akzeptieren, anstatt sich mit Bildern aus dem Internet zu vergleichen“, betont er. Besonders gefährlich seien sogenannte Pro-Ana-Foren, in denen Anorexia als erstrebenswert glorifiziert wird.
Tom berichtet von seinen Fortschritten und der ständigen Herausforderung, zu lernen, dass Essen nicht mit Schuldgefühlen verbunden sein muss. "Es war eine lange Reise, aber ich bin zuversichtlich, dass ich eines Tages mein Leben ohne die Essstörung führen kann.", fügt er hinzu.
In der Schön Klinik gibt es verschiedene Therapieformen wie kognitive Verhaltenstherapie und Gestaltungstherapie, die den Patienten helfen, ihre Emotionen zu verarbeiten und wieder Zugang zu ihrer eigenen Wahrnehmung zu finden. Tom gestaltet in einer kreativen Sitzung, was ihm hilft, seinen Perfektionismus zu hinterfragen.
Abschließend betont Tom, wie wichtig es ist, dass Essstörungen auch bei Männern ernst genommen werden. „Wir müssen das Thema offen ansprechen und nicht länger ignorieren. Der Austausch über unsere Erfahrungen kann dazu beitragen, dass auch andere Betroffene den Mut finden, sich Hilfe zu suchen“.
Seine Familie und Freunde bleiben eine wichtige Stütze in seinem Heilungsprozess, und er fühlt sich ermutigt durch ihre Unterstützung. „Wir müssen mehr über Männer mit Essstörungen reden. Das reduzieren wir oft auf eine Frauenkrankheit, aber auch Männer sind betroffen und brauchen Hilfe“, schließt er leidenschaftlich.