Gesundheit

Mit „Remindern“ gegen den Tumor – Ein Durchbruch in der Immunbiologie

2024-11-08

Autor: Nina

Das Konzept des Extinktionslernens, das bedeutet das Auslöschen von durch Konditionierung gelernten Assoziationen, hat erhebliche Auswirkungen auf unsere Psyche und Gesundheit. Es spielt eine zentrale Rolle dabei, wie wir Ängste und Schmerzempfindungen verarbeiten und verhindern, dass sie sich dauerhaft in unserem Gedächtnis festsetzen.

Im Gegensatz dazu möchte Verhaltensimmunbiologe Martin Hadamitzky vom Universitätsklinikum Essen die Lernprozesse so beeinflussen, dass diese nicht erlöschen. Sein Forschungsteam untersucht, wie Lernprozesse das Immunsystem beeinflussen und dabei in einen Dialog mit dem Nervensystem treten. „Nerven- und Immunsystem kommunizieren in beide Richtungen miteinander“, hebt Hadamitzky hervor.

Für ihre Experimente kombinieren die Wissenschaftler neutrale stimuli, wie etwa Zuckerwasser, mit einem Medikament, das das Tumorwachstum hemmt, nämlich Rapamycin. Die bisherigen Tierversuche haben gezeigt, dass Ratten eine starke Assoziation zwischen dem Geschmack von Zuckerwasser und den immunologischen Veränderungen, die durch das Medikament hervorgerufen werden, entwickeln können. Nach wiederholter Gabe kann Zuckerwasser alleine signifikante Auswirkungen auf das Immunsystem der Tiere haben.

Jedoch stellt Hadamitzky fest, dass der ursprüngliche Effekt durch das Extinktionslernen irgendwann wieder schwindet. Um dieser Abnahme entgegenzuwirken, geht Hadamitzky neue Wege. „Unsere Idee ist, dem Immunsystem einen Reminder zu geben“, erklärt er. Dies wird ermöglicht, indem die Ratten weiterhin eine stark reduzierte Dosis von Rapamycin in Kombination mit Zuckerwasser erhalten. Diese subeffektive Dosis hat keine Tumor hemmenden Eigenschaften, entfaltet jedoch die Kraft eines erlernten „Erinnerungseffekts“.

Erstaunlicherweise zeigt sich, dass dieser Reminder, auch wenn er nur einen Bruchteil der ursprünglichen Dosis umfasst, das Tumorwachstum effektiv kontrolliert, sobald die Tiere die Assoziation zwischen Zuckerwasser und der vollen Dosis gelernt haben. Diese bahnbrechenden Erkenntnisse könnten weitreichende medizinische Implikationen haben.

Die Forschungen stehen noch am Anfang: Hadamitzky und sein Team planen, die zugrunde liegenden Mechanismen des Lernens auf das menschliche Gehirn zu übertragen. Dazu sind umfangreiche Tierstudien und weiterführende Tests mit gesunden Probanden sowie Menschen mit weniger kritischen Erkrankungen, wie entzündlichen Hautreaktionen, erforderlich.

Die Vision von Martin Hadamitzky und seinem Kollegen Harald Engler ist, in Zukunft das Leben von Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Krebs oder nach Organtransplantationen zu verbessern, indem die Lebensqualität durch eine Minderung der Nebenwirkungen von Medikamenten erhöht wird. Hadamitzky betont: „Wir werden niemals vollständig ohne Medikamente auskommen, aber eine Reduzierung der Dosis bei gleichbleibender therapeutischer Wirkung stellt einen enormen Fortschritt dar.“

Zusammenfassend zeigt sich, dass die Forschung rund um das Extinktionslernen und dessen Auswirkungen auf das Immunsystem bedeutende neue Ansätze für die Behandlung von Krankheiten bieten könnte, die im medizinischen Bereich neuartig und äußerst vielversprechend sind.