Gesundheit

Präsentismus bei psychischen Belastungen: So schadet er allen

2025-04-01

Autor: Noah

Durchhalten, niemals aufgeben, die Woche zu Ende bringen und bloß nicht an diesem einen wichtigen Termin fehlen – dies erleben wir oft selbst in Krisenzeiten. Wenn Menschen krank zur Arbeit gehen, treffen sie Entscheidungen, die sie ihren Freunden nie raten würden. Der Grund? Es fühlt sich an wie eine Ausnahmesituation, eine besondere Herausforderung. Doch die Realität ist, dass dieser Präsenzzwang weit verbreitet ist und oft schädlich sein kann.

Das Phänomen des Präsentismus ist in der heutigen Arbeitswelt besonders sichtbar. Studien zeigen, dass viele Beschäftigte auch während psychischer oder physischer Erkrankungen zur Arbeit erscheinen, keine Lust haben, die Kollegen anzustecken oder weil sie glauben, dass ihre Abwesenheit negative Folgen haben könnte. Laut einer Untersuchung der AOK aus 2022 sind in Deutschland etwa 9,5 Millionen Menschen von Depressionen betroffen. Diese Zahl beinhaltet jedoch nicht die Vielzahl an Personen, die unter subklinischen Symptomen leiden oder schlichtweg keine professionelle Diagnose erhalten haben.

Immer noch ist es in unserer Gesellschaft umstritten, ob psychische Erkrankungen einen legitimen Grund für eine Krankschreibung darstellen. Das führt zu einem problematischen Dilemma: Während viele Arbeitgeber für physische Erkrankungen Verständnis zeigen, wird psychische Gesundheit oft ignoriert oder nicht ernstgenommen. Dies resultiert in einer Arbeitskultur, die das geistige Wohl der Mitarbeitenden nicht ausreichend berücksichtigt.

Erstaunlicherweise arbeiten laut einer Studie der Techniker Krankenkasse (TK) mehr als 56 Prozent der Befragten auch dann, wenn sie sich emotional erschöpft fühlen – das ist nicht nur ungesund, sondern auch ineffektiv. Einige Unternehmen haben zwar sogenannte Mental Health Days eingeführt, doch dies reicht oft nicht aus, um die zugrunde liegenden Strukturen zu ändern. Die Frage, ob Unternehmen eine Verantwortung für die psychische Gesundheit ihrer Angestellten tragen, ist nach wie vor ein heißes Thema.

Arbeitgeber, die sorgsam darauf achten, dass die Mitarbeitenden gut sitzen und ergonomisch arbeiten, sollten auch die Verantwortung für Stressauslöser wie Zeitdruck, Unsicherheiten und zwischenmenschliche Konflikte übernehmen. Eine umfassende Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf psychische Belastungen sollte Teil jeder Unternehmensstrategie sein – insbesondere in Zeiten, in denen der Druck steigt.

Es gibt jedoch auch die Perspektive, dass in Krisen Arbeit eine stabilisierende Kraft bieten kann. Die Struktur, das Miteinander, die Verfolgung gemeinsamer Ziele können in schweren Zeiten hilfreich sein. Doch wenn Betroffene kaum die Kraft aufbringen können, ihre Aufgaben zu erfüllen, wird es kritisch. Emotionale Arbeit kann zusätzlich belastend sein und diejenigen, die bereits an ihrer Psyche leiden, noch weiter an den Rand bringen.

Wir brauchen endlich Wahlfreiheit in der Arbeitswelt. Psychisch angeschlagen zur Arbeit zu erscheinen ist etwa so effektiv wie der Versuch, mit einer Erkältung zu arbeiten – es wird nichts erreicht. Langfristige Studien belegen, dass Mitarbeitende mit mehr Freiheit in ihren Entscheidungen weniger Fehler machen, kreativer sind und höhere Leistungen erbringen. Wenn die Psyche belastet ist, leidet die gesamte Produktivität. Es ist an der Zeit für Unternehmen, sich anzupassen, und die veraltete Gesundheitskultur in der Arbeitswelt zu überdenken. Krank zur Arbeit zu gehen war noch nie eine Heldentat – es war immer kostspielig und ein Zeichen mangelnder Kompetenz. Die Zeit für Veränderungen ist gekommen!