Revolutionäre Methode enthüllt die Geheimnisse der Dunkelheiten in der Milchstraße
2025-01-05
Autor: Emma
Unsere galaktische Heimat, die Milchstraße, breitet sich als ein atemberaubendes, nebliges Band am Nachthimmel aus. Doch während wir uns mit unserem Sonnensystem inmitten dieser gigantischen Ansammlung von Sternen befinden, bleibt der prächtige Blick auf die Milchstraße für viele Menschen verborgen. Ein Grund dafür ist die Lichtverschmutzung, verursacht durch künstliches Licht. Heute schauen etwa 80 Prozent der Menschen auf einen Himmel, der von Lichtsmog betroffen ist, und ein Drittel der Weltbevölkerung kann die Milchstraße überhaupt nicht mehr erkennen.
Vor der Erfindung der Glühbirne war dies anders, doch es herrschte eine lange Ungewissheit darüber, was diese nebligen Streifen wirklich waren. Bereits die alten Griechen hatten jedoch einen Schimmer der Wahrheit: Der Philosoph Demokrit vermutete vor etwa 2400 Jahren eine Ansammlung unzähliger Sterne. Erst 1609 konnte Galileo Galilei mit einem Teleskop den Nachthimmel beobachtend diese Vermutung bestätigen.
Unentdecktes Terrain
Der deutsch-britische Astronom Wilhelm Herschel entdeckte 1785 schließlich, dass die Milchstraße scheibenförmig ist. Der US-amerikanische Astronom Harlow Shapley konnte 1919 nachweisen, wo sich unsere Sonne innerhalb dieser Struktur befindet. Trotz der über ein Jahrhundert seit diesen Entdeckungen sind große Teile der Milchstraße nach wie vor unbekannt. Viele Regionen unserer Heimatgalaxie blieben uns verborgen.
Dank der fortschrittlichen Beobachtungstechnik können wir jedoch allmählich diese verhüllten Strukturen aufdecken. Systematische Himmelsdurchmusterungen mit modernen Teleskopen haben immer wieder neue Schichten enthüllt. Ein internationales Team, an dem auch Forschende aus Wien beteiligt sind, hat nun eine bahnbrechende Methode entwickelt, um zuvor unsichtbare Regionen der Milchstraße zu entschlüsseln. Diese Entdeckungen haben auch weitreichende Implikationen für unser Verständnis der Entstehungsgeschichte der Galaxie.
Herausforderung der interstellaren Extinktion
Die zentrale Herausforderung bei der Beobachtung der Milchstraße ist unsere Position in der galaktischen Ebene. Interstellarer Staub und Gas verdecken oft unsere Sicht, ein Phänomen, das Astronomen als „interstellare Extinktion“ bezeichnen. Diese Bereiche absorbieren das Licht ferner Sterne, während die hohe Dichte an Sternen in der zentralen Balkenregion der Milchstraße die Distanzmessung erschwert.
"Wir können diesen Aspekt jedoch aus einer anderen Perspektive betrachten", erklärt Sergey Khoperskov vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und Erstautor einer neuen Studie. "Stellen Sie sich vor, für jeden Stern, den wir beobachten, gibt es viele weitere Sterne, die denselben Orbit haben, aber aus verschiedenen Gründen nicht erfasst werden konnten."
Durch die Auswertung der Bahnen sichtbarer Sterne gelang es den Forschenden, die Positionen, Geschwindigkeiten und Eigenschaften jenen Sterne zu rekonstruieren, die außerhalb unserer direkten Beobachtungsmöglichkeiten liegen. Mit Hilfe der Daten des Sloan Digital Sky Surveys und der APOGEE-Durchmusterung konnten sie die Bewegungen und chemischen Eigenschaften von Sternen im gesamten Milchstraßensystem kartieren, selbst in den innersten und am schwersten zugänglichen Regionen.
Zwei Phasen der Bildung
Die Ergebnisse dieser neuartigen Methode, die vorläufig auf dem Preprint-Server Arxiv.org veröffentlicht wurden, legen nahe, dass sich die Milchstraße in zwei Hauptphasen entwickelt hat. In der ersten Phase, vor etwa sechs bis sieben Milliarden Jahren, entstand die innere Scheibe, ein dichtes, chemisch vielfältiges Gebiet tief innerhalb der Umlaufbahn, in der die Sonne das Zentrum der Milchstraße umkreist. Diese Phase war geprägt von intensiver Sternentstehung und einer schnellen chemischen Anreicherung.
Die zweite Phase setzte ein, als sich die äußere Scheibe der Milchstraße bildete. Diese radiale Expansion gab der Galaxie ihre heutige weiträumige Struktur. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Phasen zeigt sich in der unterschiedlichen Beziehung zwischen dem Alter und der chemischen Zusammensetzung der Sterne: Während die innere Scheibe von alten, metallreichen Sternen dominiert wird, zeigt die äußere Scheibe eine jüngere und chemisch homogenere Sternpopulation.
Einblick in die Dynamik
Durch die Rekonstruktion der Sternbahnen konnten Forscher nicht nur die Struktur, sondern auch die Dynamik der Galaxie erfassen. "Wir haben die Positionen, Geschwindigkeiten und stellaren Parameter dieser nicht sichtbaren Sterne rekonstruiert und somit fehlende Teile der Galaxienstruktur ergänzt", fasst Khoperskov zusammen. Diese revolutionäre Technik überwindet die klassischen Herausforderungen durch interstellare Extinktion und enthüllt ein umfassendes Bild der Milchstraße, das zuvor verborgen blieb.
Die Ergebnisse dieser Studien sind nicht nur ein Durchbruch für die Astronomie, sondern werfen auch neue Fragen auf: Wie beeinflussen die Bewegungen der Sterne die langfristige Entwicklung der Galaxie? Welche Rolle spielt dunkle Materie in der Dynamik der Milchstraße? Für die Forschenden ist klar: Jeder Stern, der in unseren Teleskopen erscheint, erzählt nicht nur seine eigene Geschichte, sondern auch die Geschichte einer dynamischen Galaxie. Und möglicherweise bringt uns jede Entdeckung näher zu einem vollständigen Bild unserer galaktischen Heimat.