Welt

Rohingyas: Gefangen im größten Flüchtlingslager der Welt

2024-10-09

Autor: Leonardo

Der schmale Weg führt vorbei an provisorischen Hütten aus Bambus, Wellblech und Plastikplanen. Zwischen den engen Gassen hängen Wäscheleinen mit Kleidern, während kleine Kinder unbesorgt an offenen Abwasserkanälen spielen. Im überfüllten Camp Nummer Zwölf in Cox's Bazar leben Hunderttausende Rohingya-Flüchtlinge, die aus Myanmar geflohen sind.

In den letzten Monaten hat die Gewalt in Myanmar dramatisch zugenommen. Insbesondere die Arakan Army, eine separatistische Gruppe, hat gezielte Angriffe durchgeführt, die viele Zivilisten zur Flucht zwingt. Jamida, eine 31-jährige Mutter, beschreibt, wie sie mit ihrem Mann und ihrem Kind vor den Drohnenangriffen fliehen musste. "Ich habe mein Bein bei einem Angriff schwer verletzt. Wir mussten nachts heimlich über den Grenzfluss nach Bangladesch fliehen", erzählt sie.

Seit Ende Juli sind, nach offiziellen Angaben, über 8000 Rohingyas nach Bangladesch geflohen, einige Flüchtlingsführer sprechen sogar von mehr als 20.000 Neuankömmlingen. Diese Schicksale verdeutlichen die humanitäre Krise, die sich in den Camps abspielt, während die internationale Hilfe allmählich abnimmt.

Die zuständigen Ärzte von Médecins sans frontières (MSF) berichten von einem besorgniserregenden Anstieg der Schussverletzungen, wobei mehr als 100 Fälle allein im August registriert wurden – über die Hälfte dieser Opfer sind Frauen und Kinder. Die neue Welle von Verletzten überfordert die Kapazitäten der bereits ausgelasteten Kliniken im Camp.

Die humanitäre Lage hat sich weiter verschärft. Die bangladeschische Regierung hat die Aufnahme neuer Flüchtlinge gestoppt und viele Neuankömmlinge dürfen sich nicht registrieren lassen, wodurch ihnen der Zugang zu Nahrung und medizinischer Versorgung verwehrt bleibt. "Wir haben kein Geld, keinen Pass und keine Staatsbürgerschaft. Wir sind Gefangene in einem Lager", klagt Dilma Hammad, der vor Jahren mit seiner Familie floh und nun versucht, den Neuankömmlingen zu helfen, indem er sie bei sich aufnimmt.

Der Alltag in den Camps ist hart: Oft leben bis zu neun Menschen in einer einzigen, kleinen Hütte. Immer wieder berichten Menschenrechtsorganisationen von Übergriffen und Gewalt unter den Flüchtlingen, die den Druck im Lager weiter erhöhen. Kinderhochzeiten sind ein großes Problem; viele junge Mädchen werden oft gezwungen, sehr früh zu heiraten, was die Situation der Frauen zusätzlich erschwert.

Die Sicherheitslage wird durch die Präsenz von kriminellen Banden, die Flüchtlinge entführen und in den Drogenhandel verwickelt sind, weiter destabilisiert. In den letzten Tagen haben Berichte über blutige Konflikte zwischen diesen Gruppen und den Flüchtlingen zugenommen, was das Leben gefährlich macht. Viele trauen sich nicht mehr, nachmittags das Lager zu verlassen.

Der Flüchtlingsmanager der bangladeschischen Regierung, Shamsud Douza, bestätigt die steigende Gewalt: "Es gibt viele Herausforderungen; Drogenhandel ist ein großes Problem, und die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft nimmt ab." Die Polizei ist überfordert und oft nicht in der Lage, die Sicherheit aufrechtzuerhalten.

Trotz der ernsthaften Situation bleibt die Hoffnung auf eine Rückkehr in eine stabile Zukunft in Myanmar, aber viele Flüchtlinge wie Mohammad Aju, der vor kurzem ankam und seine Familie verlor, bezweifeln dies. "Ich bin der Einzige, der es geschafft hat. Zurück kann ich nicht, bleiben ist auch gefährlich. Wohin kann ich gehen?", fragt er verzweifelt. " Die Situation der Rohingyas bleibt angespannt, während die Welt zusieht und die humanitäre Uhr tickt.