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Sibirien der Schweiz: Milde Winter bringen La Brévine in Bedrängnis

2024-12-30

Autor: Lara

Einleitung

In La Brévine, oft als "Sibirien der Schweiz" bezeichnet, spürt man zurzeit Mitte Dezember nichts von der typischen sibirischen Kälte. Obwohl eine tückische Bise über den Neuenburger Jura weht, zeigt das offizielle Thermometer der Gemeindeverwaltung nur minus zwei Grad an, was kaum winterliche Verhältnisse vermuten lässt. An einer benachbarten Meteo Schweiz-Station wurde die Temperatur ebenfalls erfasst.

Jean-Maurice Gasser, ein 74-jähriger pensionierter Berufsoffizier der Schweizer Armee und ehemaliger Gemeindepräsident, hat sich warm eingepackt. Trotz der Kälteäußerung zeigt er sich besorgt über die ungewöhnlich milden Temperaturen für diese Jahreszeit. „Es hat in den letzten Tagen viel geregnet, aber wenigstens liegt etwas Schnee“, berichtet Gasser, fügt aber hinzu, dass das Wetter zu warm sei.

Das "Sibirien der Schweiz"

Der Titel "Sibirien der Schweiz" hat seinen Ursprung in der geografischen Lage von La Brévine. Obwohl das Dorf nur etwa 1100 Meter über dem Meeresspiegel liegt, sammelt sich im Winter kalte Luft im Talboden, was auch den angrenzenden Lac des Taillères beeinflusst. In den letzten Jahrzehnten fror der See meist im November oder Dezember und taute erst im März wieder auf.

Jedoch macht sich der Klimawandel heutzutage immer stärker bemerkbar. Gasser berichtet, dass der See 2023 erst im Januar gefroren ist und schon im Februar aufgrund der milderen Temperaturen wieder eisfrei wurde. SRF-Meteorologe Mauro Herrmann bestätigt diese Veränderungen: „Seit dem Kälterekord von 1987 in La Brévine hat sich das Schweizer Klima um 1,5 Grad erwärmt, was zu immer unwahrscheinlicheren extremen Kältesituationen führt."

Wirtschaftliche Folgen

Die Folgen für La Brévine sind nicht unerheblich. An frostigen und klaren Wintertagen kann sich der Lac des Taillères zu einem beliebten Ziel für bis zu 5000 Besucher entwickeln, die Spaß auf dem Eis suchen, während Langläufer durch die verschneiten Loipen sausen. Lokale Unternehmen sind darauf angewiesen, diese Besucher mit Glühwein, Raclette und anderen Spezialitäten zu versorgen. Fehlen jedoch Eis und Schnee, werden die Einnahmen des Dorfes schwer beeinträchtigt.

Zunehmende Sommertouristen

Um die Auswirkungen des nachlassenden Wintertourismus zu mildern, versuchen einige Geschäftsinhaber, wie Marceline Huegenin, die ein Antiquitätengeschäft führt, vermehrt Sommertouristen anzusprechen. Doch die Frage bleibt, ob La Brévine dennoch den Titel „Sibirien der Schweiz“ tragen kann, wenn sich die Winter weiterhin erwärmen?

Marceline Huegenin ist zuversichtlich. „Es wird überall im Land wärmer, nicht nur hier“, sagt sie. Auch Jean-Maurice Gasser sieht das kalte Klima noch immer als wesentlichen Teil von La Brévine. Meteorologe Mauro Hermann ist sich ebenfalls sicher, dass der kalte Rekord von minus 42 Grad in den kommenden Jahren vermutlich nicht gebrochen wird. Es bleibt spannend zu beobachten, ob La Brévine weiterhin als mysteriöses, kaltes Paradies der Schweiz gelten kann – oder ob der Klimawandel dem einen Strich durch die Rechnung macht.