Trinkgeld in der Schweiz: Übergang zu höheren Löhnen oder Beibehaltung bewährter Praktiken?
2024-12-01
Autor: Louis
Ein umstrittenes Thema
In der Schweizer Gastronomie zahlen Gäste zunehmend ihr Trinkgeld bargeldlos, oft per Kreditkarte oder digitalen Zahlungsdiensten wie Twint. Diese Entwicklung führt dazu, dass Trinkgelder in den Buchhaltungen der Gastrobetriebe sichtbar werden, was neue Fragen zur Besteuerung aufwirft. In der Schweiz müssen Trinkgelder versteuert werden, wenn sie einen "wesentlichen Teil des Lohnes" ausmachen, was in der Praxis mehr als 10 Prozent bedeutet.
Eine aktuelle Umfrage von Leewas, in Auftrag gegeben von 20 Minuten und Tamedia, zeigt, dass eine knappe Mehrheit der Bevölkerung eine Abschaffung des Trinkgelds in Erwägung zieht, vorausgesetzt, die Löhne im Gastgewerbe steigen entsprechend. Während 48 Prozent für die Abschaffung plädieren, sprechen sich 46 Prozent dagegen aus. Besonders Frauen und linksgerichtete Personen neigen dazu, die Abschaffung zu unterstützen.
Der Branchenverband Gastrosuisse und die Gewerkschaft Unia sind jedoch gegen diese Idee und möchten an der bestehenden Praxis festhalten. Laut Gastrosuisse-Sprecherin Iris Wettstein sind Trinkgelder ein Zeichen der Wertschätzung und ein Geschenk an das Servicepersonal. Eine Abschaffung des Trinkgelds könnte dazu führen, dass die Angestellten am Monatsende netto weniger verdienen, da sie höhere Abgaben und Steuern bezahlen müssten. Diese zusätzlichen Kosten könnten die Wettbewerbsfähigkeit der Gastronomiebetriebe gefährden.
Nationalrat Vincent Maitre (EVP) hat jüngst einen Vorstoß eingebracht, der darauf abzielt, Trinkgelder von der Steuerpflicht zu befreien. Er argumentiert, dass Trinkgelder, die als kleine Zeichen der Wertschätzung betrachtet werden, in Zukunft aufgrund der zunehmenden bargeldlosen Zahlungen besser nachvollzogen werden können. Der Bundesrat lehnt diesen Vorschlag jedoch ab und warnt vor möglichen negativen Auswirkungen auf die Löhne im Gastgewerbe.
Gewerkschaft Unia sieht ebenfalls keinen Grund für eine Änderung der bisherigen Gepflogenheiten. Natalie Imboden von Unia beschreibt eine systematische Besteuerung als "unverhältnismäßig" und "bürokratisch". Die Verhandlungen über die Erhöhung der Mindestlöhne im Gastgewerbe sind in der Vergangenheit gescheitert, was als ein weiteres Hindernis für eine Abschaffung des Trinkgeldes gewertet wird.
Politische Meinungen
Die SVP lehnt sowohl eine Besteuerung als auch die Abschaffung des Trinkgelds entschieden ab. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi betont, dass Trinkgeld dem Servicepersonal gehört und nicht in den Lohn integriert werden kann. Auch FDP-Nationalrat Marcel Dobler bezeichnet die Besteuerung von Trinkgeld als "administrativen Nonsens" und hält an der Tradition des Trinkgeldgebens fest. SP-Nationalrätin Celine Widmer hingegen fordert, dass Trinkgelder nicht als Lohnbestandteil betrachtet und nicht grundsätzlich besteuert werden sollten.
Zusammenfassend scheint die Schweizer Bevölkerung in diesem komplexen Thema gespalten zu sein. Die Diskussion über Trinkgelder und höhere Löhne im Gastgewerbe wird sicherlich auch in Zukunft viele Menschen bewegen. Bleiben Sie informiert über die Entwicklungen in der Gastronomie und den politischen Diskurs rund um diese wichtige Thematik.