SRF hat Angst vor seinen Lesern – Ein Blick hinter die Kulissen
2024-11-19
Autor: Leonardo
Vor einem Jahrzehnt wurde ein innovatives Projekt ins Leben gerufen, bei dem SRF Online aktiv die Meinungen seiner Leserschaft einholte.
Über 3.000 Kilometer fuhren die Reporter quer durch die Schweiz und besuchten direkt die Menschen, die auf srf.ch ihre Gedanken äußerten. Dieses Projekt wurde „Kommentarland“ genannt.
Doch bereits damals klagten die SRF-Journalisten über die täglich eingehenden 400 Kommentare: „Das bedeutet für uns einiges an Arbeit.“
Vor zwei Jahren kam es dann zu einer drastischen Änderung: Die Journalisten wurden von dieser Belastung teilweise entlastet. Ein junger Community-Manager erklärte in einem Video, dass „versierte Redaktoren“ auf Basis verschiedener Kriterien entscheiden, über welche Artikel Debatten zugelassen werden.
Ein zentrales Kriterium ist: „Wo wollen wir Inputs von der Community?“ Das tatsächliche Interesse der Leser scheint dabei weniger entscheidend zu sein.
SRF zeigt sich auch wenig kooperativ gegenüber provokanten Kommentaren. „Wenn du uns nur provozieren willst, musst du dich nicht wundern, wenn wir nicht darauf reagieren“, hieß es unmissverständlich.
Zudem stolzierte SRF vor einem Jahr mit der Meldung, dass man Kommentatoren, die nicht in den Kram passten, gangbare Wege aufzeigen konnte, indem man sie für ein halbes Jahr sperrte.
Aktuell wird jedoch nur noch bei einer Handvoll Artikeln die Kommentarfunktion freigeschaltet. Am vergangenen Sonntag gab es lediglich vier Artikel, bei denen Leser ihre Meinungen abgeben konnten. Wenn es um aktuelle Themen wie den geplanten Börsengang von Sunrise (3 Kommentare) oder die Forderungen der Indigenen zum Rohstoffabbau (23 Kommentare) ging, wurde das Feedback der Leserschaft nur spärlich eingeholt.
Eine solch abweisende Haltung kann für redaktionelle Teams zum Nachteil werden. Kommentare, selbst wenn sie unhöflich sind, könnten Journalisten als wertvolles Korrektiv dienen und eine breitere Perspektive auf die behandelten Themen liefern.
Mit 83 Vollzeitstellen sollte der Aufwand für die Freischaltung von Kommentaren machbar sein; dennoch bleibt es unverändert so, dass srf.ch in der Nacht überhaupt keine Kommentare zulässt.
Und am Wochenende wird die Kommentarfunktion zwischen Brunch und Apéro komplett deaktiviert: Vor 9 Uhr und nach 19 Uhr ist das Kommentieren nicht möglich.
Diese Einschränkung wirft ein Licht auf die fragwürdige Strategie von SRF, sich von der Leserschaft abzuschotten. Warum hat der Sender Angst vor der Meinung seines Publikums? Ein solches Vorgehen könnte langfristig das Vertrauen und die Bindung zu den Lesern gefährden. Die Frage bleibt: Ist SRF bereit, sich der kritischen Stimme seiner Zuschauer zu stellen oder zieht man es vor, sich hinter einer Mauer aus Nicht-Kommunikation zu verstecken?