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Marode Sozialsiedlung: Die Stadt Neapel geht enorme Risiken ein

2024-10-01

Im Juli geschah eine tragische Katastrophe in einem Außenviertel von Neapel, als drei Menschen ihr Leben verloren und 13 weitere teils schwer verletzt wurden. Diese Bewohner lebten in einer groß angelegten Sozialwohnungssiedlung, die sich im baufälligen Zustand befand und im Besitz der Stadt Neapel ist.

Ein Boden im Gebäude gab nach und der darauf stehende Teil stürzte ab, was auch zwei weitere Stockwerke in den Abgrund riss. Die Stadtverwaltung wusste über den maroden Zustand ihrer Immobilien Bescheid, unternahm jedoch keinerlei Maßnahmen zur Verbesserung oder zur Sicherung. Unmittelbar nach dem Unglück haben die Behörden zwar den betroffenen Teil der Siedlung geräumt, doch ganze zwei Monate später wohnen immer noch Menschen in den unsicheren Gebäuden.

„Vele“ (italienisch für „Segel“) wird die aus Sozialwohnungen bestehende, riesige Siedlung genannt, deren Umrisse vage an Segel erinnern. Rosario, ein langjähriger Bewohner, beschreibt den schrecklichen Abend im Juli: „Ich hörte Schreie und dann die Sirenen der Rettungsdienste. Ich sah die drei Toten unter den Trümmern und verletzte Kinder.“

Die Stadt hat den obdachlos gewordenen Bewohnern keine neuen Unterkünfte angeboten, sondern bezahlt ihnen einen monatlichen Geldbetrag. Doch wie Rosario erklärt: „Ohne einen festen Arbeitsvertrag und regelmäßiges Einkommen wird dir niemand eine Wohnung vermieten.“ Seit dem Einsturz lebt er in einem Lieferwagen, und er ist nicht der Einzige; viele andere sind gezwungen, in Provisorien zu leben.

Das Quartier Scampia gilt als eines der gefährlichsten Gebiete Neapels, stark beeinträchtigt durch die Aktivitäten der Mafia und einen hohen Anteil an Schulabbrüchen unter den Jugendlichen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, viele leben in verfallenden Sozialwohnungen und sind in der ständigen Sorge um ihre Sicherheit.

Die Stadt Neapel, die als Vermieterin verantwortlich ist, wusste über Jahre hinweg, dass diese Siedlung akut einsturzgefährdet ist, was durch offizielle Dokumente belegt ist. Bruno, ein Bewohner eines anderen Teils der Siedlung, äußert seine Ängste: „Wir haben keine Wahl. Entweder bleiben wir in diesen unsicheren Wohnungen oder wir verlieren unser Dach über dem Kopf.“

„Man müsste eigentlich alles sofort abreißen“, sagt Sergio, ein weiterer Bewohner, der 2008 aufgrund der Wirtschaftskrise seine Wohnung verlor und mit seiner Familie in die Vele ziehen musste. „Doch bevor man abbricht, muss man den Leuten ein neues Zuhause geben.“

Gleichzeitig hat Emanuele Cerullo, der seine Kindheit in dieser Siedlung verbracht hat, die Hoffnung nicht aufgegeben. Er studierte und wurde Lehrer, was ihm eine Flucht aus der gegenwärtigen Misere ermöglichte. „Es ist ein ständiger Kampf zwischen dem Leben und der Kriminalität“, sagt er, während er die Gefahren der Mafia nicht ignorieren kann.

Aktuell plant der Stadtpräsident von Neapel, weitere Teile der Siedlung zu räumen, ohne dabei eine Alternative oder eine Lösung für die betroffenen Bewohner anzubieten. Die Zukunft der Bevölkerung in Scampia bleibt ungewiss, und die cityverwaltung muss sich dringend mit den drängenden Wohnfragen befassen, um weitere Tragödien zu verhindern.