Gesundheit

Resistenzen: Wie Phagen unser Gesundheitswesen revolutionieren könnten

2024-11-18

Autor: Nina

Ein Besuch am Leibniz-Institut DSMZ in Braunschweig eröffnet spannende Einblicke in die Welt der Phagenforschung. Christine Rohde, eine der führenden Wissenschaftlerinnen auf diesem Gebiet, strahlt vor Optimismus, als sie berichtet, dass in Deutschland die erste klinische Studie mit Phagen begonnen hat. Diese bahnbrechende Entwicklung könnte ein Lichtblick im Kampf gegen die wachsende Bedrohung durch antibiotikaresistente Keime sein.

Phagen, oder Bakteriophagen, sind Viren, die gezielt Bakterien angreifen und diese abtöten. Als potenzielles Gegenmittel gegen Antibiotikaresistenzen gelten sie als revolutionär. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jährlich weltweit 1,3 Millionen Menschen aufgrund von infektionsbedingten Komplikationen sterben, die durch Antibiotika nicht mehr behandelbar sind. In Europa sind es über 35.000 Todesfälle jährlich, eine Zahl, die alarmierend ist und dringend nach Lösungen verlangt.

Christine Rohde begann ihre Forschung in diesem Bereich zunächst skeptisch, doch die Wende kam 2012 mit dem Eintritt von Hans-Peter Klenk, einem starken Befürworter der Phagentherapie. Heute leitet Rohde ein internationales Team und wird als Deutschlands Phagen-Expertin anerkannt. Die Anfragen von verzweifelten Patienten, die an extremen Infektionen leiden, häufen sich, und Rohde ist bestrebt, effektive Phagen zu finden, um diesen Menschen zu helfen.

Phagen haben eine bemerkenswerte Fähigkeit: Sie vermehren sich nur an Orten der Infektion und breiten sich aus, solange Bakterien vorhanden sind. Sind die Bakterien beseitigt, zerfallen die Phagen und schädigen nicht das Mikrobiom des Patienten. Dies könnte eine bedeutende Verbesserung im Vergleich zu herkömmlichen Antibiotika darstellen.

Ein entscheidender Schritt ist die aktuelle klinische Studie an der Charité in Berlin. Ein Phagen-Cocktail, der aus drei verschiedenen Phagen besteht, wird getestet, um den Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa zu bekämpfen, der für schwere Lungenentzündungen verantwortlich ist. Durch die Anpassung von Phagen, die direkt aus dem Abwasser von Kläranlagen isoliert wurden, und die gründliche Forschung könnte dieser Cocktail erfolgreich therapeutisch eingesetzt werden.

Die Herausforderung besteht darin, aus der Vielzahl von Phagen die effektivsten zu bestimmen. In einem Auswahlprozess wurden 70 Phagen getestet, um letztendlich die effizientesten auszuwählen. Ein vielversprechendes Ergebnis, das die Hoffnung weckt, dass Phagen künftig eine wichtige Rolle in der Medizin spielen könnten.

Ein weiterer Aspekt der Phagenforschung ist die Entwicklung von Phagen-Resistenzen seitens der Bakterien. Diese Resistenzen können auf unterschiedlichen Ebenen auftreten, was die Forschung zusätzlich herausfordert. Um dem entgegenzuwirken, nutzen Wissenschaftler Cocktails aus verschiedenen Phagen, um die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzentwicklung zu minimieren.

Parallel zu klinischen Studien setzt Rohde auch auf individualisierte, magistrale Therapien. Diese Methode hat sich bereits in zahlreichen Fallstudien als erfolgreich erwiesen und hat das Potenzial für eine breitere Anwendung. Bei dieser Therapie werden spezifische Phagen für den Patienten isoliert, was eine maßgeschneiderte Behandlung ermöglicht.

Die Zukunft der Phagenforschung sieht vielversprechend aus. Der Weg zur Regulierung und zum Einsatz von Phagen in der modernen Medizin wird klarer, und Rohde und ihr Team setzen sich weiterhin dafür ein, diese Fortschritte voranzutreiben. Der klare Vorteil der Phagen-Therapie besteht darin, dass sie nicht nur die Patienten direkt betrifft, sondern auch einen langfristigen Einfluss auf die Entwicklung von neuen therapeutischen Strategien gegen antibiotikaresistente Bakterien haben könnte.

Mit einer Renaissance in der Therapie gegen bakterielle Infektionen könnte das Potenzial von Phagen endlich richtig ausgeschöpft werden. Der aus der Natur stammende Ansatz könnte sich als eines der wirksamsten Mittel gegen die Herausforderungen der modernen Medizin herausstellen.